Stefan Clauser, Die Glocke vom 7.5.2012:
Neubeckum (scl) – Vor 15 Jahren war Franz Müntefering schon mal beim Frühlingsempfang der Neubeckumer SPD gewesen. Sein Thema damals: „Staat und Gesellschaft im Wandel“. Beim zweiten Besuch der Parteifreunde vor Ort befasste er sich am Sonntag mit Aspekten des demografischen Wandels.
Gerne, so scherzte der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende und Ex-Vizekanzler, käme er auch in 15 Jahren nochmal wieder. Dann sei er 87 und könnte sicher noch einiges mehr zum Thema beitragen.
Wie es sein Publikum in der voll besetzten Mensa des Kopernikus-Gymnasiums von ihm erwartete, redete Franz Müntefering nach der Begrüßung durch Ortsvereins-Vorsitzenden Peter Kreft und Landtagskandidatin Annette Watermann-Krass Tacheles. Dabei widerstand er dem Impuls, vordergründige Wahlkampfparolen auszugeben. In seinem rund dreiviertelstündigen Vortrag kamen der Begriffe „SPD“ und der Name Hannelore Kraft nur ganz am Rande vor.
Der prominente Sozialdemokrat widmete sich stattdessen einer ausführlichen politischen Analyse der Ursachen und Folgen des demografischen Wandels und der Rezepte zur Problembewältigung in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Denn es gibt durchaus Handlungsoptionen, wie er deutlich machte. „Wir sind nicht allmächtig, aber auch nicht ohnmächtig“, rief Müntefering seinem Publikum zu, bevor er die wesentlichen politischen Handlungsfelder in diesem Zusammenhang umriss.
Obenan bei der Bewältigung von Zukunftsherausforderungen steht für Franz Müntefering die Bildung. Soziales Lernen bereits im Vorschulbereich gehört für ihn ebenso zu den verpflichtenden Aufgaben wie die Sicherstellung eines gelungenen Eintritts in das Berufsleben. Hier bekannte sich der Bundestagsabgeordnete deutlich zum Prinzip „fordern und fördern“.
Mit Blick auf die Situation der Frauen in der Gesellschaft müssen laut Müntefering Anreize geschaffen werden, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. „Denn wir brauchen die Frauen“, erklärte der Redner mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung. In diesem Zusammenhang forderte er Lohngerechtigkeit, sprach sich gleichzeitig für die stärkere Besteuerung von Vermögen und Spitzeneinkommen sowie die Festlegung von Mindestlöhnen aus. Auch die Optimierung von Ausbildungswegen erscheint Müntefering ein wesentlicher Aspekt. Die Förderung der dualen Ausbildung nannte er dabei als Ziel. Er bekannte sich zur Verschiebung des Renteneintrittsalters, sprach sich ferner dafür aus, leistungsfähige Ältere nicht aus dem Erwerbsprozess zu schieben.
Die Kommunen sollten nach seiner Meinung Sorge dafür tragen, dass sie ein für Kinder wie für ältere Menschen gleichermaßen attraktives Umfeld bieten. „Viele Junge gehen mit dem Abitur in der Tasche und zu wenige kommen zurück“, mahnte der prominente Gast zum Abschluss seines Vortrags, für den er viel Applaus erhielt.